So werden ukrainische Jugendliche unterrichtet
Dutehsc. Das ist kein Tippfehler, sondern eine Methode, wie die geflüchteten ukrainischen Jugendlichen lernen, ihren deutschen Wortschatz zu erweitern. Immer mehr junge Ukrainer/innen nutzen das Integrationsangebot des GBS St.Gallen.
«Bei mir zu Hause sind fünf Per… Wer hilft mir bei diesem Wort?», fragt Karin Troxler in die Runde. Sie unterrichtet seit mittlerweile fünf Jahren am GBS St.Gallen und hat nun eine ukrainische Integrationsklasse übernommen. «Wichtig ist, den Unterricht abwechslungsreich zu gestalten und viel Geduld und Verständnis mitzubringen», sagt sie. Das Angebot des GBS St.Gallen richtet sich an geflüchtete ukrainische Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 21 Jahren. Unterrichtet werden sie in Deutsch und zum Thema «Leben in der Schweiz». Im Einzelcoaching findet eine individuelle schulische Abklärung statt. Dort wird besprochen, wie der Weg in der Schweiz weitergehen kann.
Der Krieg in der Ukraine, ist während des Unterrichts in den Räumlichkeiten an der Turm- und Kugelgasse kein Thema. Die Erfahrung zeigt, dass psychisch angeschlagene Schülerinnen und Schüler den Weg von ihrem Wohnort nach St.Gallen gar nicht erst auf sich nehmen können. Fachbereichsleiter Karl Oss sagt: «Wir arbeiten eng mit dem Sozialamt zusammen und sind auf diese Thematik sensibilisiert. Wir meinen zu erkennen, wenn sich eine Schülerin oder ein Schüler in einem traumatischen Zustand befindet.»
Teamplayer/innen sind gefragt
Sind Anzeichen eines Traumas ersichtlich, dann werden die Jugendlichen während des Unterrichts einerseits weniger in Anspruch genommen. Andererseits hilft in diesen Momenten auch der Austausch mit den erfahrenen Lehrpersonen, um gemeinsam eine Lösung zu finden. «Spätestens in der Pause treffen wir uns», so Oss. Aus diesem Grund sind Lehrpersonen gefragt, die den Teamgedanken hochleben. Oss erklärt: «Wir tauschen uns täglich aus, unterstützen und kritisieren uns gegenseitig. Wer neu zu uns stösst, der kann auf mehrere Ansprechpersonen zählen.» Gefordert sind neben dem Flair für die deutsche Sprache vor allem eine positive Grundhaltung, Flexibilität und Offenheit.
Unterricht hat sich bewährt
Eine Schülerin übersetzt für ihre Kollegin soeben, was Karin Troxler gefragt hat. Im Unterricht wird eigentlich so wenig wie möglich auf Ukrainisch oder auch Englisch gesprochen. Gibt es trotzdem Verständigungsprobleme, lässt sich in den verschiedenen Klassen stets jemand finden, der bereits besser Deutsch spricht und helfen kann. «Wir arbeiten manchmal auch mit dem Übersetzungsdienst von Google. Die Jugendlichen sollen hier aber Deutsch lernen. Sie trainieren die Sätze sehr fleissig und schnell», berichtet Karl Oss. Die Fortschritte werden dank dem Zusammenspiel von Lehrmittel sowie Sprech- und Höraufgaben erzielt.
Der zu vermittelnde Lerninhalt ist wöchentlich vorgegeben. Dieses Grundgerüst hat Karl Oss mit seinem Team während den letzten zwölf Jahren für die Integrationskurse am GBS St.Gallen entwickelt. Es hat sich bewährt, vor allem der Schüler/innenaustausch innerhalb der Klassen funktioniert. «Es macht keinen Sinn, in sturen Klassenstrukturen zu arbeiten. Wenn jemand ein neues Niveau erreicht, dann schauen wir ihre oder seine Optionen an.» Der Unterricht orientiert sich an den wichtigsten deutschen Wörtern und am 4K-Modell. Am Montag steht die Kreativität im Fokus, tags darauf die Kommunikation, ehe Ende Woche Wert auf Kollaboration und kritisches Denken gelegt wird.
Anders als in der Ukraine
Dadurch, dass alle in der Klasse aus der Ukraine stammen, haben sie dieselben Vorstellungen davon, wie eine Schule zu funktionieren hat. Dies sei der wesentliche Unterschied zum herkömmlichen Integrationsangebot am GBS St.Gallen, wo verschiedene Kulturen aufeinandertreffen, sagt Karl Oss. «Aufgrund der Rückmeldungen vermuten wir, dass der Unterricht in ihrem Heimatsland wohl viel hierarchischer strukturiert ist. Sie schätzen es, dass sie bei uns selbstständiger sein dürfen und wir darauf achten, dass alle den Lerninhalten folgen können», erklärt er.
Und das ist nicht nur ein Versprechen, sondern wird so gelebt: Karin Troxler setzt sich zu einem Schüler hin und bespricht mit ihm die Aufgabe, während die anderen ihren Wortschatz mit digitalen Lernkarten testen. Sie sagt: «Es ist beeindruckend, wie motiviert sie alle sind.»