Unterricht digitalisieren – aber wie?
Wir testen den Unterricht der Zukunft im Rahmen der IT-Bildungsoffensive. Doch wie soll dieser überhaupt aussehen? Das haben wir an einem Workshop erarbeitet.
Alle reden von Digitalisierung. Doch was heisst das überhaupt?
Dieser Frage sind wir im Rahmen des Teilprojekts «Neues Inhaltsarrangement» der IT-Bildungsoffensive des Kantons St.Gallen nachgegangen. Berufsbildungsexperten aus den Sparten Automation, Polymechanik, Konstruktion und Elektronik, ÜK-Experten sowie HR-Fachleute sind für einen Workshop im GBS-Schulhaus im Riethüsli zusammengekommen. Die Hälfte der Teilnehmenden reiste aus dem Aargau an. In einer interkantonalen Kooperation mit der Berufsfachschule Baden lernen Lehrpersonen und Berufsbildungsverantwortliche voneinander und miteinander. PHSG-Prorektor und ITBO-Teilprojektleiter («Unterricht 4.0») José Gomez (im Bild) hat sein Einstiegsreferat auf die eine entscheidende Einstiegsfrage fokussiert. Was verstehen wir eigentlich unter digitaler Transformation im Unterricht? Und damit unter Blended Learning?
Digitalisierung ist nicht gleich digitale Transformation
Das Teilprojekt «Neues Inhaltsarrangement» soll eine kontrollierte Einführung neuer modular-flexibler Bildungskonzepte in Kooperation mit der Berufsrevision «FUTUREMEM» ermöglichen. Und damit die digitale Transformation unterstützen. Diese ist nicht gleichbedeutend mit Digitalisierung, sagt Gomez. «Die digitale Transformation hat einen höheren Anspruch.» Bringt man beispielsweise Laptops in den Unterricht, hat man damit noch keine digitale Transformation bewirkt. Denn für diese müsse man Lehren und Lernen neu denken, sagt Gomez. «Das passiert im Kopf der Lehrperson und hat mit der Technik erst einmal nichts zu tun.» Guter Unterricht ist Unterricht, der die Lernenden in den Mittelpunkt stellt. Das gilt auch fürs Blended Learning. Die Lehrperson müsse sich bei all dem, was sie tut, fragen: «Was mache ich und was hat das für eine Auswirkung auf den Erfolg der Lernenden?»
Lehrpersonen werden zu Coaches - und damit noch wichtiger
Der Lernraum ist dabei nicht aufs Klassenzimmer reduziert. Unterricht kann asynchron und dezentral stattfinden. Das bringt einen höheren Grad an Individualisierung und Flexibilität. Konkrete Projekte laufen bereits. Etwa im offenen Lernraum der Schule für Gestaltung, wo die Lernenden mit einem digitalen Lernpfad auf ihr Ziel hinarbeiten und dafür nicht in einem typischen Klassenzimmer sitzen. «Die Lernenden gestalten den Lernprozess aktiv mit, übernehmen Verantwortung und haben ein bestimmtes Mass an Freiheit», sagt Gomez. Denn nicht jede Lernende müsse den gleichen Weg machen, um ans Ziel zu kommen. Das bedingt auch, dass man den Lernenden mehr zutraut. «Das ist ein Risiko», sagt Gomez und betont, dass die Lernenden keineswegs sich selber überlassen werden. «Die Lehrpersonen werden noch wichtiger als früher. Sie müssen die Verantwortungsübernahme fördern, aber den Lernenden auch Orientierung geben. Sie setzen einen Rahmen und begleiten den Prozess. Dazu gehört Feedback.» Coaching also. Die Lehrperson unterstützt die Lernenden in der Entwicklung ihrer eigenen Lernstrategien. «Es geht in erster Linie ums Lernen, nicht ums Lehren.»
Wie man Blended Learning gestaltet, muss jede Schule selber definieren. Die einen möchten einen Campus-Charakter und soviel Präsenz vor Ort wie möglich anbieten, die anderen öffnen die Lernräume noch mehr. In jedem Fall beeinhaltet es aber auch das Lernen vor Ort. So zählt beispielsweise der Corona-Fernunterricht nicht zu Blended Learning – hier wurden schliesslich lediglich Übungen online verteilt. Das Modell der Schule für Gestaltung ist eine Kombination aus synchronem Präsenzlernen vor Ort und asynchronem Lernen. Dafür braucht es auch die passende Infrastruktur. Mit den Investitionen der IT-Bildungsoffensive war dieser Schritt möglich.
Jeder Schule ihr passendes Modell
Wie kommt man nun zum eigenen Modell? Gomez rät, sich als erstes zu veranschaulichen, wie der Lehrplan und die Bildungsverordnung aussehen. Darauf basierend schaut man, welche Inhalte synchron, welche asynchron vermittelt werden sollen und wie sich das ausgestaltet. Darauf folgt die Skizzierung der Lernschritte. So ist auch die Schule für Gestaltung vorgegangen.
Der Perspektivenwechsel ist dabei die grösste Herausforderung, sagt Gomez. Deshalb geht es an diesem Workshop auch um den Austausch. Nach dem Referat wählen die Teilnehmenden jene Themen, bei denen für sie noch Diskussionsbedarf besteht. Es werden Gruppen gebildet, die diese Themen bearbeiten und danach zurück ins Plenum bringen. So, damit jede und jeder für sich am Ende den passenden Weg findet.