Zeichennacht 2022: Die Kunst des Unperfekten
Die Schule für Gestaltung bietet hochwertige Kreativkurse an. Weisst Du, wie mit einer Tufting Gun ein Teppich entsteht? Willst Du mehr über den 3D-Druck oder die Maltechniken mit Acryl erfahren? An der Zeichennacht am Freitag, 18. November 2022, werden Dir die verschiedenen Angebote vorgestellt. Claudia Züllig und Karl Fürer aus dem Gründungsteam der Zeichennacht beschreiben die Stimmung während des Anlasses als etwas ganz Besonderes.
Der Volksmund sagt: Unmusikalische Menschen gibt es nicht. Dasselbe sagt Claudia Züllig übers Zeichnen oder Malen. Es gibt keine Unbegabte. «Aber die eigenen Ansprüche an sich selbst können hemmen», so Züllig. Sie verweist deshalb gerne darauf, dass das Kursangebot der Schule für Gestaltung nicht nur Insidern zugänglich ist, sondern der breiten Öffentlichkeit. Man müsse definitiv kein Profi sein. Die Zeichennacht darf als Einstieg genutzt werden, um sich nach Jahrzehnten wieder einmal künstlerisch zu betätigen oder sich über moderne Methoden wie dem 3D-Druck zu informieren.
Zugegeben, der Rahmen ist gerade während den Kursen im Aktzeichen intimer. Claudia Züllig rechnet mit 50 Personen, die an der Zeichennacht ihren Workshop fürs Aktzeichnen besuchen. Engagiert wurde ein erfahrenes Modell, damit das Zusammenspiel Künstler*in und Modell funktioniert. «Das Modell muss sich wohl fühlen. Dazu gehören gegenseitige Wertschätzung, ein zufriedenes Körpergefühl und eine gute Körperspannung. Dann passt es auch für den Betrachter», sagt Claudia Züllig.
Ab 18 Uhr bis Mitternacht werden acht Workshops angeboten. Ein Nachtcafé lädt zum Ausspannen und Austauschen ein und eine Ausstellung von Werken der Kursteilnehmenden zeigt, was in den Kursen möglich ist. Ausserdem stellt der St.Galler Künstler Larry Peters zwischen 19 und 20 Uhr sein Werk «going away» im Raum HE20 vor. Von 1974 bis 2002 war Peters Lehrbeauftragter an der Schule für Gestaltung.
Übung macht den Meister
Seit 1975 unterrichtet Karl Fürer an der Schule für Gestaltung. Er erlebt nun seine siebte Zeichennacht und freut sich darauf, einen Einblick ins Portraitzeichnen geben zu können. Gemeinsam mit Claudia Züllig hat er darauf geachtet, dass nicht den ganzen Abend lang, dasselbe Modell zur Verfügung steht. «Abwechslung ist interessanter und es geht auch darum, Unterschiede zu begegnen», erklärt Fürer. Dabei entscheiden die Besucher*innen – wie bei den anderen Workshops auch –, ob sie kurz Reinschauen und Mitzeichnen oder einen intensiven Zeichnungsabend geniessen.
Fürer wird den verschiedenen Workshop-Teilnehmenden nach einer kurzen Einführung über die Schultern schauen und Tipps geben. Es geht darum, sowohl das Auge als auch die Hand zu trainieren. Fürer sagt: «Die Hand zeichnet das, was das Auge sieht. Wie bei einem Klavierspieler trainierst du immer wieder, damit das Auge die Proportionen nicht nur detailliert wahrnimmt, sondern sie auch in die Hand überträgt. Dieser Prozess braucht stetige Wiederholung.»
Der Drang nach Perfektion
Auch Karl Fürer betont, dass Perfektion zwar schön und spannend sei. Das Unperfekte habe häufig aber einen noch stärkeren Reiz. Er verweist auf die Biographien von Pablo Picasso oder Alberto Giacometti, deren Eigenart auf riesige Anerkennung gestossen ist. «Das Wort Eigenart verrät es… sich mit der eigenen, persönlichen Kunst ausdrucken.»
Claudia Züllig bringt mit Henri Matisse jeweils einen der grössten Künstler aus dem letzten Jahrhundert als Beispiel. Sie empfiehlt ihren Kursteilnehmenden genau hinzuschauen, wie der Franzose jeweils die Hände skizzierte. «Eine schnelle Skizze muss nicht perfekt sein, denn hierauf müssen die Positionen stimmen», so Züllig. Ihr Ratschlag ist, sich selber nicht im Weg zu stehen. Für Matisses Werke werden nach wie vor 100'000 Franken ausgegeben.