100 beste Plakate: Diese Details musst Du kennen
Welchen Einfluss haben das Frauenstimmrecht und die Pandemie auf die preisgekrönten 100 besten Plakate des Jahres 2021? An der Vernissage liess Initiator Philip Kerschbaum das Publikum die Plakate aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Auch die breite Bevölkerung kann am 10. September im Rahmen der Museumsnacht in den Genuss davonkommen: Die Rundgänge mit Philip Kerschbaum starten zu jeder vollen Stunde jeweils im Foyer an der Demutstrasse 115. Die Ausstellung läuft noch bis 24. September.
«Meine Geburt ist oft umständlich. Mein Resultat dafür verständlich. Ich bin ein Unikat. Denn ich bin ein Plakat.» Mit diesen Worten beendete Samuel Zuberbühler, Leiter Standortförderung Stadt St.Gallen, sein Gedicht. Es war eine Hommage ans Medium Plakat und unterhielt die Gäste in der Aula des GBS St.Gallen bestens. «Ich bin sehr stolz darauf, dass wir die Ausstellung wieder in St.Gallen begrüssen dürfen. Unsere Stadt ist kreativ, aber sie kann noch mehr Kreativität gebrauchen. Der Dank gilt allen, die in der Kreativbranche unterwegs sind», so Zuberbühler während der Vernissage der Wanderausstellung «Die 100 besten Plakate 2021 aus Deutschland, Österreich und der Schweiz».
Das Plakat bildet weit mehr als nur Werbebotschaften ab. Es werden auch sozialpolitische Themen behandelt. Im Jahr 2021 waren es drei Themen, die besonders häufig aufgegriffen wurden: Das Frauenstimmrecht, die Pandemie und das Klima. «Das Plakat als Spiegel der Gesellschaft», fasste Organisator und Initiator Philip Kerschbaum zusammen. Er ging an der Vernissage unter anderem auf die nachfolgenden Plakate genauer ein.
Frauenstimmrecht gestern und heute
Es gab bekanntlich mehrere Anläufe bis das Frauenstimmrecht im Jahr 1971 endlich eingeführt wurde. Das links abgebildete Plakat stammt aus dem Jahr 1946 und suggeriert, dass die Frauen bei mehr Rechten ihre Pflichten im Haushalt vernachlässigen. Die unappetitliche Fliege auf dem Nuggi des Babys warnt eindringlich davor. Im Verlaufe der Zeit wurden versöhnlichere Töne angeschlagen, sodass sogar der (wach)geküsste Ehemann ein «Ja» in die Urne wirft. Das rechts abgebildete Plakat wurde im Jahr 1959 veröffentlicht.
Im Jahr 2021 durfte dann ein Jubiläum gefeiert werden: 50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz.
Dieses Plakat von Laura Hüppi, ehemalige Teilnehmerin des gestalterischen Vorkurses Erwachsene Propädeutikum, ist nun an der Schule für Gestaltung ausgestellt. Es zeigt auf den ersten Blick ein zensiertes Porträt einer Frau. Der untere Balken scheint aber nach und nach zu verschwinden und der Mund wird sichtbar. «Die roten Balken erinnern in ihrer Form an ein Gleichzeichen, das für die Gleichstellung von Frau und Mann steht», erklärte Philip Kerschbaum.
Die Corona-Pandemie
Keine Frage: Die Kreativszene hat während der Pandemie arg gelitten. Keine Veranstaltungen. Kein Austausch. Umso mehr waren Masa Stanic und Othmar Handl darauf bedacht, die widererlangten Freiheiten zu feiern. Ihre Plakate kündigten das Comeback des physischen Lebens an und hingen in Wien. Das mutige Sujet wurde kontrovers diskutiert und auf Instagram sogar gelöscht. Es war gemäss den hiesigen Richtlinien wohl zu anrüchig…
Human Parasite
Dieses Plakat zeigt eine Illustration eines Menschen, der den Globus umschlingt und verschlingt. Die Botschaft: Der Mensch gefährdet mit seinem Verhalten als schädlichster Parasit die Erde. Die Darstellung regt mit umgekehrter Psychologie dazu an, unserem Planeten mehr Sorge zu tragen und nachhaltiger zu leben.
Eine Ehre für die Schule für Gestaltung
Philip Kerschbaum holt die internationale Ausstellung bereits zum vierten Mal nach St.Gallen. Für die Schule für Gestaltung ist dies eine grosse Ehre. Die Plakate sind sonst unter anderem an renommierten Orten zu sehen wie dem Museum für angewandte Kunst Wien, den Staatlichen Museen zu Berlin oder der Paper Gallery in Seoul. «Vielen Dank Philip und der Alumni HF KGD, dass ihr unsere Leidenschaft teilt und die Faszination für die Gestaltung weckt», sagte denn auch Jan Fischer, Prorektor GBS St.Gallen, Leiter Weiterbildung Brückenangebote.
Die Schule sei dafür da, Begegnungsräume für Menschen, Grafiker/innen, Designer/innen zu schaffen. Die Wanderausstellung trägt massgeblich dazu bei, wie Jan Fischer bereits während deren Aufbau feststellte: «Eine Gruppe Lernender blieb bei mindestens jedem zweiten Plakat stehen. Tief versunken in Diskussionen, obwohl um sie herum der Trubel der Pause war.»
Preisgekröntes aus der Schweiz
Diese Anekdote zeigt, dass die Ausstellung ein breites Publikum anspricht. Gerade Plakate würden sich dadurch auszeichnen, dass sie unmittelbar wirken und kein vertieftes Fachwissen voraussetzen, erklärte Philip Kerschbaum. Für Auszubildende sei die Ausstellung ein wertvoller Gradmesser, da aktuelle Trends und Designströmungen beleuchtet werden. Und sie ist eine Inspirationsquelle, denn unter den 100 besten Plakaten stammen insgesamt 54 Gewinner aus der Schweiz.
«Schweizer Grafikdesign und Typografie haben eine Strahlkraft über die Landesgrenzen hinaus», so Philip Kerschbaum. Diese Ansicht teilt Jury-Mitglied Larissa Kasper. Die ehemalige Dozentin an der Schule für Gestaltung erklärte den Anwesenden, nach welchen Kriterien die besten Plakate ausgewählt wurden. Dass sie sich Zeit genommen habe, an der Vernissage zu den Gästen zu sprechen, sei eine grosse Ehre, so Philip Kerschbaum. Aus der Region überzeugte die renommierte Grafikdesignerin Anna Haas die Jury, die gleich mit drei Plakaten für das Palace St.Gallen ausgezeichnet wurde. Zu sehen sind die Plakate noch bis 24. September an der Schule für Gestaltung.
Die 100 besten Plakate 2021 an der Museumsnacht: Zu jeder vollen Stunde werden die Besucher/innen von Philip Kerschbaum auf eine Entdeckungsreise durch die Ausstellungen mitgenommen. Die Rundgänge starten jeweils im Foyer der Schule für Gestaltung (Demutstrasse 115).
Führungen um 18:00 19:00, 20:00 und 21:00 Uhr.
Das Gedicht von Samuel Zuberbühler, Leiter Standortförderung Stadt St.Gallen, in voller Länge:
Ich hänge da. Stumm und flach.
Manchmal bin ich schrill, manchmal blass.
Aber immer zeig ich was.
Ich sehe alle, aber nicht alle sehen mich.
Aber aufs Handy will ich eh nich.
Ich hab Stil und bin agil.
Mein Einsatz aber ist fragil.
Ich muss auffallen.
Und gleichzeitig auch gefallen.
Meine Konkurrenz ist gross.
Doch ohne mich wär gar nix los.
Meine Likes kann ich nicht messen.
Aber dafür tut man mich nicht so rasch vergessen.
Meine Geburt ist oft umständlich.
Mein Resultat dafür verständlich.
Ich bin ein Unikat.
Denn ich bin ein Plakat.