Alles Fake?! Die Freude der Kulturkosmonauten steckt an
Echt jetzt?!? Gemeinsam mit dem Kulturprogramm Kulturkosmonauten begeben sich die Klassen des Berufsvorbereitungsjahres auf die Reise und erforschen dieses Thema. Rasch fällt bei der Klasse im Jugendkulturraum Flon der Slang-Ausdruck Fake. Was ist gefälscht, unecht oder nicht authentisch?
Es sieht zwar spielendleicht aus, ist aber alles andere als selbstverständlich. Im Jugendkulturraum Flon spannen Schüler/-innen des Berufsvorbereitungsjahres eine Plane und halten darauf drei Bälle in Bewegung. Fast zwei Minuten lang gelingt dieses Kunststück. «Das ist reines Teamwork. Wenn ich keine Rücksicht nehme und nicht darauf achte, was meine Kollegen machen, fallen die Bälle runter», erklärt Tobi Stumpp, Workshop-Leiter und Theaterpädagoge. Die Schüler/-innen erkennen, dass sie ihren Teil zum Erfolgserlebnis beitragen. Die echte Freude darüber ist ihnen anzumerken.
Diese Übung wärmt alle Beteiligten nach einer Pause auf und stärkt das Zugehörigkeitsgefühl. Anschliessend widmet sich die Klasse dem vorgegebenen Thema «Echt jetzt?!?». In insgesamt vier Workshops arbeiten die Kulturkosmonauten mit dem Berufsvorbereitungsjahr. Es werden Choreographien einstudiert, Videosequenzen erstellt, Raps geschrieben und Rauminstallationen gestaltet. Und die Schüler/-innen interpretieren das Thema neu für sich. Am 15. und 16. Februar folgen die Präsentationen, welche sie zu folgenden Fragestellungen erarbeitet haben:
- «Schönheitsmesse ECHT JETZT» – Echt oder fake – Was ist schön?
- Sucht ihr Streit? Frieden? Was?!?
- Wie könnte unser Experimentallabor zu einer besseren Welt beitragen?
- «SPLITTER» – Echt oder Abbild, Albtraum oder Traum?
Das Publikum sieht den Spass
Mehr als 40 Personen werden alleine die Präsentation im Jugendkulturraum Flon an der Davidstrasse 42 besuchen. Ihr Erscheinen lohne sich, sagt Aaron. Der angehende Fleischfachmann EFZ Feinkost und Veredelung erklärt: «Es hat uns enormen Spass gemacht, sehr viel Zeit in dieses Projekt zu investieren. Das wird das Publikum merken. Wenn wir Freude haben, haben es die Zuschauer/-innen auch.»
Am Anfang sei es gewöhnungsbedürftig gewesen, sagt Victoria. «Wir haben uns aber alle auf den Workshop eingelassen und jetzt bin ich gespannt, wie die Aufführung wird», sagt sie. Pamela Dürr nimmt den Schüler/-innen die Nervosität und sagt: «Bei den Kulturkosmonauten kannst du nichts falsch machen.» Sie ist die künstlerische Leitung des 2018 ins Leben gerufenen Programm. Jedes Jahr beweisen die Klassen des GBS St.Gallen aufs Neue, dass sie in diesem Setting aus dem Nichts innerhalb von zehn Tagen etwas kreieren können. «Gefragt sind die Future Skills. Die Schüler/-innen entdecken ihre Kreativität, kommunizieren und finden ihren Platz im Team. Sie werden dazu ermutigt, ihre Einwände auf konstruktive Art einzubringen», so Pamela Dürr.
Ein geheimes Labor
Spannend fand Victoria, die gerne den Beruf Drogistin lernen möchte, die Diskussionen innerhalb der Klasse. «Wir haben besprochen, was unserer Meinung nach echt ist und was falsch ist», sagt sie. Auf einer Flipchart wurden die Gedanken gesammelt. Fake sei, wenn man sich vor den Eltern anders benehme als vor den Kollegen. Wer Interesse vortäuscht oder über Witze lacht, die nicht lustig sind, sei unecht.
Theaterpädagoge Tobi Stumpp sagt: «Sie haben das Thema aus ihrer eigenen Lebenswelt betrachtet und sich unter anderem auch mit dem Film Her befasst.» Im mit einem Oscar ausgezeichneten Drama spielt Joaquin Phoenix einen Mann, der sich in die Stimme eines intelligenten Computersystems verliebt. «Wie passen Künstliche Intelligenz und Beziehung zusammen?», fragt Tobi Stumpp. Die Antwort werden die Schüler/-innen in ihrem geheimen Flon-Labor geben, denn so viel ist zu diesem Zeitpunkt klar: Victoria, Aaron und ihre Mitschüler/-innen werden im Jugendkulturraum Flon nicht auf einer Bühne auftreten. Sie arbeiten an verschiedenen Themeninseln, die im Raum verteilt sind.
Glücklich, dabei zu sein
Die andere Gewissheit ist, dass die Kulturkosmonauten spontan auf neue kreative Einfälle reagieren. Selbst in den letzten Minuten vor einer Präsentation könne noch Erstaunliches geschehen, sagt Pamela Dürr.
Sie spricht aus Erfahrung. Der 100. Workshop seit dem Programmstart der Kulturkosmonauten im Jahr 2018 ist in Griffweite. Etwas mehr als ein Drittel davon fand mit Schulklassen des GBS St.Gallen statt. Schon bald beginnen in den Integrationskursen die Vorbereitungen auf das Festival «Hier und anderswo». Zum Auftakt wird der Fokus wie immer darauf liegen, Berührungsängste bei den Schülern/-innen abzubauen. Pamela Dürr weiss, dass dies gelingen wird: «Bei einer Umfrage unter verschiedenen Klassen resultierte, dass niemand freiwillig an unserem Programm teilgenommen hätte. Nach den zehn Tagen gaben aber alle an, froh zu sein, den Kulturkosmonauten anzugehören. Fast alle wollen sogar weitermachen.» Das Montagstraining im Talhof war geboren und wird künftig bestimmt auch von einigen Schüler/-innen des GBS-Berufsvorbereitungsjahres neu besucht.