Dominic Lobalu sorgt für Schweizer Leichtathletik-Sternstunde

Europameister! Es ist wie im Märchen: An der Leichtathletik-Europameisterschaft in Rom bestreitet Dominic Lobalu seinen ersten internationalen Grossanlass im Renndress der Schweiz. Über 10'000 Meter läuft der Flüchtling aus dem Südsudan zu Gold und krönt sich zum Europameister – überragend! Vier Tage zuvor gewinnt er über 5000 Meter sensationell die Bronzemedaille. Seine Klassenlehrerin Barbara Herzog erinnert sich, wie im Integrationskurs am GBS St.Gallen bereits zu Beginn seiner Zeit in der Schweiz mit ihm mitgefiebert wurde.
Der Goldlauf von Dominic Lobalu ist ab Minute 27:53 zu sehen:
Barbara Herzog weiss noch genau, wie sich Dominic Lobalu zu Beginn des Schuljahres 20/21 vorgestellt hat. Sein Hobby sei Joggen. «Erst mit der Zeit erfuhren wir, wie schnell Dominic joggt», sagt die Lehrerin der Integrationskurse und lacht. Zwei Jahre lang lernte Dominic Lobalu bei Barbara Herzog Deutsch. Wenn sie jetzt seine Interviews hört, dann ist sie stolz auf ihren ehemaligen Schüler: «Ich freue mich so, dass er die Wörter gelernt hat und sich jetzt ausdrucken kann. Sein grosser Wille und sein Durchhaltevermögen, die deutsche Sprache zu lernen, kommt bestimmt durch den Sport.»
Zwei Interviews, die unvergessen bleiben werden, sind jene, die Dominic Lobalu nach seinen Medaillenläufen gegenüber dem Schweizer Fernsehen SRF in Rom gibt. Am 12. Juni 2024 lief er über 10'000 Meter ein taktisch fantastisches Rennen und sicherte sich die Goldmedaille. Schon über 5000 Meter am 8. Juni 2024 überzeugte Dominic Lobalu mit einem tollen Endspurt und feierte anschliessend als Dritter auf dem Podest. «Ich habe alles gegeben, was ich habe», sagte Dominic Lobalu ins SRF-Mikrofon. Er sei sehr zufrieden über die Medaille, die er für seine neue Heimat gewonnen habe. «Ich danke der Schweiz, dass sie mir diese Chance gibt», so der ehemalige Schüler des GBS St.Gallen.
Zu Besuch in St. Moritz
Damals während dem Unterricht am GBS St.Gallen waren die Rennen von Dominic Lobalu stets Thema. «Wir haben mitgefiebert und uns mit ihm gefreut. Wenn er einen Wettkampf hatte, schauten wir den am Montag im Unterricht gemeinsam an», erzählt Barbara Herzog. Gross war der Jubel als Dominic Lobalu am 30. Juni 2022 zum ersten Mal ins Rampenlicht lief. Er entschied das 3000-Meter-Rennen des Diamond League Meeting in Stockholm für sich.
Unmittelbar nach dem Triumph in Stockholm weilte Dominic Lobalu im Höhentraining in St. Moritz. Als Abschluss des Schuljahres 21/22 besuchte ihn die ganze Klasse. Als die Schüler mit ihm um den See spazierten, wurde das Leichtathletik-Talent von zahlreichen anderen Sportlern gegrüsst. Anschliessend durften die Mitschüler auf der Tartanbahn gegen Dominic Lobalu antreten. «Er rannte natürlich ab der Startlinie allen davon. Es war ein wunderschöner, emotionaler Tag», erinnert sich Barbara Herzog. Für die Schüler sei nur schon allein die Fahrt mit der Rhätischen Bahn ein Erlebnis gewesen.
Auf dem Perron wurden die letzten Erinnerungsfotos mit dem damals frischgekürten Stockholm-Sieger gemacht. In Schweden gewann Dominic Lobalu übrigens noch nicht unter Schweizer Flagge. Erst am 14. Mai 2024 erhielt er aus den Händen von Christoph Seiler, Präsident von Swiss Athletics, das Trikot der Leichtathletik-Nationalmannschaft. Ein Traum ging damit endlich in Erfüllung, denn nun war er offiziell für die Schweiz an den Europameisterschaften in Rom startberechtigt.
Der Läufer ohne Land
Ein Sprichwort besagt, dass alle Wege nach Rom führen. Lange Zeit schienen für Dominic Lobalu aber alle gesperrt. Im Jahr 2019 verliess er das International Refugee Team des Weltverbands World Athletics unangekündigt nach einem Rennen in Genf und suchte Asyl in der Schweiz. Zuvor setzten sich bereits andere Athleten ab. Sie kritisierten, dass ihnen ausserhalb des Programms «International Refugee Team» keine Möglichkeit geboten werden, sich ein eigenes Leben aufzubauen.
Dominic Lobalu galt anschliessend für mehrere Jahre als staatenloser Athlet. Im fehlte die Berechtigung unter einer nationalen Flagge zu laufen. Dies, obwohl er in der Schweiz lebte und dank Markus Hagmann auch hier trainierte. Der Leichtathletik-Trainer aus St.Gallen erkannte das Potenzial von Dominic Lobalu.
Diese Ausgangslange inspirierte den Tages-Anzeiger dazu, seine Video-Dokumentation über Dominic Lobalu mit dem Titel «Der Läufer ohne Land» zu versehen.
Im GBS-Schulzimmer um den Tisch getanzt
Im September 2023 wurden erste Fortschritte erzielt. Der Leichtathletik-Weltverband entschied, dass Dominic Lobalu per sofort unter Schweizer Flagge antreten darf. Der Haken: An internationalen Titelkämpfen wäre er ohne das mittlerweile erfolgreiche Wiedererwägungsgesuch erst ab dem 6. April 2026 für die Schweiz startberechtigt gewesen.
Der Flüchtling aus dem Südsudan liess sich durch das Hin und Her abseits der Rennbahn in den letzten Monaten nicht beirren. Als Starter für den LC Brühl feierte er zwei Schweizer Meistertitel und lief über 5 Kilometer Europarekord (13:12 Minuten, zeitgleich mit dem Franzosen Jimmy Gressier). Einerseits achteten Wegbegleiter wie Markus Hagmann darauf, dass Dominic Lobalu sich auf den Sport konzentrieren konnte. Andererseits bringt der Läufer selbst einen wertvollen Charakterzug mit, wie Barbara Herzog findet: «Sein Humor. Als er im Unterricht ein Spiel gewann, tanzte er freudig um den Tisch und brachte alle zum Lachen.»
Wer den Freudentanz von Dominic Lobalu nach der Zielüberquerung an der Leichtathletik-Europameisterschaft in Rom sah, kann sich in etwa vorstellen, wie im GBS-Schulzimmer getanzt wurde.

Ab Minute 15:41 ist zu sehen, wie Dominic Lobalu über 5000 Meter die Bronzemedaille in Rom gewinnt: