Warum steht dieser Ski im Schulzimmer?
Darauf hat der Markt nicht gewartet. Die Rede ist vom 2013 gegründeten Softwareunternehmen Service Ocean und dem vor sieben Jahren entstandenen Start-up Timbaer Ski. Heute haben sich beide Firmen durchgesetzt, weil sie etwas komplett Neues anbieten. Ihre Geschichte inspiriert die angehenden Systemtechniker/-innen am «Design Thinking»-Tag.
Mit einem Paar Timbaer-Ski und ohne Powerpoint-Präsentation stand Dano Waldburger vor den Systemtechnikern im vierten Ausbildungsjahr. Mehr brauchte es auch nicht, um aufzuzeigen, dass am Fusse des Alpsteins Skier aus Naturmaterialien gebaut werden, die sich mit möglichst wenig Kraftaufwand fahren lassen. «Timbeaer wurde 2016 mit der Vision gegründet, einen Ski zu entwickeln, der durch Sportlichkeit, Design und Nachhaltigkeit besticht», erklärt Dano Waldburger. Die Basis dafür legte sein Co-Founder Andreas Dobler, der im Rahmen seiner Abschlussarbeit in der Schreinerlehre den heute patentierten Bambuskern entwickelte.
In den darauffolgenden Jahren hat die Appenzeller Skimanufaktur auch stürmische Momente erfolgreich überstanden. Von den Lernenden wollte Dano Waldburger wissen, was Unternehmer/-innen am meisten hilft. Authentizität, gute Kontakte und auf Ziele hinarbeiten lauteten die Rückmeldungen – alles andere als falsch, aber nicht das, worauf Dano Waldburger hinauswollte. Er erklärte: «Es ist das Alter. Je früher du deine Geschäftsidee anpackst, desto einfacher geht es. Du hast keine familiären Verpflichtungen und hast eine gesunde Naivität, um Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen.»
Die beste Strategie hilft nicht, wenn…
Vincent Chan bestätigte während seiner Präsentation: «Ja, es braucht Mut, um etwas Neues zu starten.» Der Systementwickler von Service Ocean verriet zwei wichtige Zutaten für eine Firmengründung: «Habt eine Vision und pflegt die Unternehmenskultur. Die beste Strategie nützt euch nichts, wenn die Unternehmenskultur nicht passt.» Zu den Kunden von Service Ocean zählen Coop, die Bank Raiffeisen oder die Versicherung Helvetia. Sie greifen auf das intelligente, KI-basierte Rückrufmanagementsystem des St.Galler Softwareunternehmens zurück.
Der telefonische Kundendienst muss die Anrufer/-innen bei einem grossen Andrang nicht mehr in einer Warteschleife vertrösten. Die Kundschaft kann Rückruftermine während der Wartezeit vereinbaren oder vorab auf der Webseite buchen. «Die Anrufer/-innen entscheiden zwischen Termin-Rückrufen und freiwilligem Warten. Unsere Vision ist es, den Kundenservice zu verbessern», erklärt Vincent Chan.
In den vergangenen zehn Jahren ist Service Ocean zu einem Unternehmen mit 50 Mitarbeitenden gewachsen und mittlerweile auch in Deutschland tätig. Solch eine Erfolgsgeschichte sei nicht nur im Silicon Valley möglich, sondern auch hier in der Ostschweiz, sagt Vincent Chan. «Ihr könnt euren Beitrag in eurer Region, dort wo ihr verwurzelt seid, leisten. Wir suchen immer wieder neues Fachpersonal», so Vincent Chan.
Zuerst das Bedürfnis erkennen, dann das Problem lösen
Vincent Chan und Dano Waldburger inspirierten mit ihren Vorträgen am «Design Thinking»-Tag. Wie schon vor einem Jahr, organisierte Dario Bühlmann diesen Anlass für die beiden Abschlussklassen der Informatiker Systemtechnik. Durch das Programm führte Lars Diener-Kimmich, Projektleiter von «TechPreneurs» und Gründer von Innorookie, dem Innovationstraining für Lernende. Gemeinsam mit seinem Coaching-Partner Nick Haller zeigte er den Lernenden im letzten Ausbildungsjahr die Welt des Gründertums. «Sucht euch ein Problem, das sich zu lösen lohnt. Geht im Team gemeinsam schnell vor – klar, strukturiert und diszipliniert», empfahl er ihnen.
Die Herausforderung bestand darin, sich mit dem Problem und nicht auf Anhieb mit der erstbesten Lösung auseinanderzusetzen. Am Morgen führten die Lernenden deshalb kurze Interviews mit Personen am GBS St.Gallen oder mit Passanten vor dem Riethüsli-Gebäude und am Bahnhof St.Gallen. Dadurch konnten sie die Bedürfnisse der potentiellen Kundschaft für ihr Angebot besser einschätzen. Auch setzten sich die Lernenden mit der Frage auseinander, welchen Nutzen die Kundschaft letztlich hat. Sie wandten die NABC-Methode an, um für ihr Angebot Need (Notwendigkeit), Approach (Ansatz), Benefits (Nutzen) und Competition (Wettbewerb) zu definieren.
Need, Approach, Benefits, Competition
Die NABC-Methode lässt sich wunderbar auf die Geschäftsideen der Lernenden anwenden. Die Vorteile einer App, welche die Einkaufsmengen dem tatsächlichen Konsumverhalten anpasst, liegen zum Beispiel auf der Hand: Weniger Lebensmittel müssen weggeworfen werden und die eigenen Kosten reduzieren sich. Die Notwendigkeit einer einheitlichen GBS-App illustrierte die Gruppe mit einer Persona gut. Der 19-jährige Michael will die Prüfungsnoten, den Mampf-Menüplan und die Schulinformationen auf einen Blick beziehungsweise Klick.
Die Idee eines komplett eingerichteten Homeoffice beinhaltet (Approach), dass das Start-up die Hardware ausliefert, alles Notwendige installiert und die IT-Systeme anschliessend wartet. Einem harten Wettbewerb wird sich die App stellen müssen, die Jugendlichen mit einem Budgetplan beim Sparen unterstützt. Die Konkurrenz ist mit den bestehenden E-Banking-Angeboten riesig.
Geschäftsidee, Business Challenge oder klassische Vertiefungsarbeit?
Nachdem die Systemtechniker jetzt ins Unternehmertum eingetaucht sind und erste Geschäftsideen skizzierten, entscheiden sie selber darüber, in welche Richtung ihre Vertiefungsarbeit geht. Sie dürfen eine Geschäftsidee in den kommenden Monaten selber vertiefen. Sie haben auch die Möglichkeit, eine Business Challenge zu wählen. In diesem Szenario nehmen sie sich einem realen Problem einer Firma an.
Ebenso kann die Vertiefungsarbeit nach dem altbekannten Schema ablaufen. Das heisst, die Lernenden wählen ein eigenes Thema und bearbeiten dieses unter den vorgegebenen Rahmenbedingungen. Am 13. September entscheiden sich die Lernenden an der «Börse» für eine der drei Varianten. Man darf gespannt sein, wer sein unternehmerisches Know-how in einer Vertiefungsarbeit unter Beweis stellt und seine Geschäftsidee Ende Januar am Start-up-Tag pitcht.