Zum Glück sind es 100 Plakate
Stadtpräsidentin Maria Pappa, Plakatkünstler Erich Brechbühl und die 100 besten Plakate aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – die Vernissage in den Räumlichkeiten der Schule für Gestaltung St.Gallen und des GBS St.Gallen geizte nicht mit Höhepunkten. Die Ausstellung läuft noch bis 23. September. Auch an der St.Galler Museumsnacht vom 9. September wird Initiator Philip Kerschbaum Hintergrundinformationen zu den einzelnen Plakaten geben. Seine Rundgänge starten jeweils im Foyer an der Demutstrasse 115.
Im Interview mit Radio SRF erzählt Philip Kerschbaum, welche Kriterien die internationale Jury anwendet, um die besten 100 Plakate aus dem DACH-Raum zu bestimmen:
Zum Glück sind es 100 Plakate. Diesen Gedanken äusserte Maria Pappa während ihrer Rede an der Vernissage. St.Gallens Stadtpräsidentin erklärt: «Auch wenn die Plakate nach objektiven Kriterien ausgewählt wurden, fliesst die subjektive Einschätzung in die Beurteilung. Bei 100 Plakaten können Sie sich selbst aussuchen, was Ihnen gefällt. Geniessen Sie die Ausstellung.» Für die Kulturszene in St.Gallen sei es wichtig, dass eine solch renommierte Ausstellung nach St.Gallen komme, sagt Maria Pappa. Es stärke die Ausstrahlung des kulturellen Schaffens.
Sie selbst unterhielt die Besucher/-innen mit einer Anekdote über ein gemeinsames Wahlplakat mit Peter Jans vor drei Jahren. Während des Fotoshootings mussten beide so herzhaft lachen, dass ein ideales Sujet entstand. «Es war kein typisches Wahlplakat. Viele dachten, es bewerbe einen Kinofilm», so Maria Pappa. Das Plakat fiel den St.Gallerinnen und St.Galler auf – das Ziel war erreicht.
Auszeichnung für das Büro Sequenz
Philip Kerschbaum, Dozent an der Schule für Gestaltung St.Gallen und Inhaber des Design-Studio Modo hat die internationale Ausstellung «Die 100 besten Plakate» zum fünften Mal nach St.Gallen geholt. Für die Schule für Gestaltung ist dies eine grosse Ehre. Die Wanderausstellung ist ausschliesslich an angesehenen Orten zu sehen, an der Eröffnung zum Beispiel im Kulturforum der Staatlichen Museen zu Berlin. Die Dernière erfolgt nach einer Reise durch die DACH-Länder im Museum für angewandte Kunst (MAK) in Wien.
Stadtpräsidentin Maria Pappa durfte sich besonders darüber freuen, dass es ein Plakat des St.Galler Büros Sequenz unter die 100 besten des Jahres 2022 geschafft hat. Das Plakat für das 14. St.Galler Literaturfestival Wortlaut überzeugt mit der seit Jahren bewährten Flächenteilung: Das Plakat wird durch zwei Diagonale und zwei Vertikale getrennt, die ein W bilden.
Sascha Tittmann, Corina Gälli und Amanda Züst – alles ehemalige Schüler/-innen an der Schule für Gestaltung St.Gallen – verzichten komplett auf Bilder und verschaffen dem Schriftzug «Wortlaut» Raum. «Das überzeugt, denn an Literaturtagen hat das Wort Gewicht. Diese Radikalität, dieses auf den Punkt bringen ist eine grosse Qualität», sagt Philip Kerschbaum.
Nächste Chance: Museumsnacht 2023
In der Vorschau auf die Ausstellung im Tagblatt wird das Büro Sequenz gelobt: «Die Stärke des Büro Sequenz und seinen Mitarbeitenden ist es, zu erkennen, wo die Gestaltung als Storytelling nötig ist und wo man den Inhalt in reduzierter Form für sich sprechen lassen sollte.»
Die Aufnahme des Wortlaut-Plakats unter die 100 besten ist ein weiterer Beleg dafür, wie Ostschweizer Grafikdesign und Typografie weit über die Kantons- und Landesgrenzen wirken. Philip Kerschbaum nutzt die Ausstellung deshalb auch immer, um einen zusätzlichen Blick auf vergangene Ostschweizer Plakate zu werfen. Zu sehen sind sieben Plakate, welche die grosse Qualität der Region repräsentieren. Interessierte dürfen sich an der St.Galler Museumsnacht davon überzeugen.
Am 9. September wird Philip Kerschbaum auf einem Rundgang umfassende Infos zu den einzelnen Plakaten und zur Designgeschichte mit Bezug zu den regionalen Plakaten geben. Die Rundgänge starten um 19:00, 20:00 und 21:00 Uhr.
Ein Plakat im Plakat im Plakat
Zu Gast an der Vernissage war auch der Schweizer Grafikdesigner und Plakatkünstler Erich Brechbühl. Für das Graphic Design Festival Weltformat hat das Luzerner Studio Feixen gemeinsam mit Erich Brechbühl (Mixer) und Josh Schaub (Konzept) mehrere animierte Layers in den Raum hineinplatziert. Philip Kerschbaum erklärt: «Wenn du dieses Werk mit der Handykamera animierst, kommt dir eine Pyramide entgegen. Dieses Plakat im Plakat im Plakat in dieser Form ist ein Novum.»
Das Resultat steht einerseits für Erich Brechbühls Neugierde. Er probiert gerne aus, will sehen was in der Plakatgestaltung alles möglich ist. Andererseits für den Pioniergeist, denn bereits 2016 wurde für das Weltformat-Festival ein animiertes Plakat erstellt. Erich Brechbühl erklärt: «Passend zum Weltformat-Thema Bewegung haben wir nach einer Möglichkeit gesucht, die Bewegung mittels Festivalplakat darzustellen. Unsere Hypothese: Man kann der Schrift durch Animation eine neue Identität geben.» Das Basisplakat wurde von sieben verschiedenen Motion-Designer/-innen animiert.
Den Studierenden der Schule für Gestaltung St.Gallen rät Erich Brechbühl nicht zu lange über 1000 Ideen zu grübeln. «Fixiert euch lieber auf eine, auch wenn diese noch nicht perfekt ist. Wenn ihr die eine Idee bis ins Detail ernsthaft verfolgt, kommt es gut», sagt der Plakatkünstler. Gut möglich, dass die Schöpfer/-innen der 100 besten Plakate des Jahres 2022 genau so vorgegangen sind. Die geballte Ladung an Kreativität, Farben und Text macht die Ausstellung zu einem Erlebnis. An Gesprächsstoff mangelte es den Besucher/-innen der Vernissage am abschliessenden Apéro nicht.
142 statt 100 Plakate
Wer sich die Mühe macht und die ausgestellten Plakate im Foyer an der Demutstrasse 115 zählt, kommt auf 142 Werke. Das liegt daran, dass einige der 100 besten Plakate als Serien gezeigt werden.
Am Wettbewerb der 100 besten Plakate aus dem DACH-Raum des Jahres 2022 beteiligten sich 663 Teilnehmer/-innen mit insgesamt 2298 Plakaten (1074 Einzelplakate und 335 Serien). Die Jury traf eine Vorauswahl und berücksichtigte an ihrer finalen Sitzung Ende Februar 2023 in Berlin noch 338 Plakate (277 Einzelplakate und 106 Serien) von 239 Teilnehmer/-innen.
Von den letztendlich 100 prämierten Plakate und Plakatserien stammen 48 aus Deutschland, 43 aus der Schweiz und 9 aus Österreich. Es handelt sich um 87 Auftragsarbeiten, 2 Künstleraufträge und 11 studentische Projektaufträge. «Diese Plakate sind ein Gradmesser, wie Design jetzt gerade wirkt und wohin die Entwicklung in den nächsten Jahren führen kann», sagt Jurymitglied Thomas Kronbichler.
Er ist extra aus dem Südtirol angereist und lässt die Zuhörer/-innen an der Vernissage wissen: «Es war viel schwieriger, die 100 besten Plakate auszuwählen, als ihr wahrscheinlich denkt.» Der Jahrgang 2022 besticht vor allem durch Plakate, die aufs Wesentliche reduziert sind. Während auf visuelle Ironie verzichtet wurde, lag der Fokus viel mehr auf der Eindeutigkeit.