Finnische Sauna in der IoT-Werkstatt
Hyvää päivää. Schüler*innen des GBS St.Gallen und der finnischen Stadt Porvoo profitieren regelmässig vom Mobility Programm. Dieses Mal waren Lehrpersonen der Schule Careeria vor Ort und unterhielten sich im Riethüsli mit mehreren Lernenden. Das Schweizer Bildungssystem hinterliess ebenso einen bleibenden Eindruck wie die Gastfreundschaft und die «Internet of Things»-Werkstatt.
Wie finden Jugendliche in der Schweiz eine Lehrstelle? Wie werden sie an die Arbeitswelt der Erwachsenen herangeführt? Das sind Fragen einer finnischen Delegation, die das GBS St.Gallen besuchte. Die Fragen zeigen auf, wie selbstverständlich das Schweizer Bildungssystem für viele uns ist und wie eindrücklich es auf andere Nationen wirkt. «Ans GBS St.Gallen gehen aktuell 4800 Berufsschüler*innen. Nehmen wir als Beispiel die Elektroinstallateure*innen EFZ», sagte Jürg Pfeiffer zu seinen Gästen aus dem hohen Norden.
Der Leiter der Abteilung technische Berufe erklärte, dass die Lernenden vom ersten Tag an über einen Lehrvertrag mit dem Lehrbetrieb verfügen. «Während einer Arbeitswoche steht die Firma im Mittelpunkt und die Schule wird an ein bis zwei Tagen besucht. Ein halbes Jahr nach ihrem Lehrbeginn, kann ich mit den Elektroinstallateuren*innen nicht mehr Fachsimpeln. Sie lernen in so kurzer Zeit derart viel», so Jürg Pfeiffer.
Malerisches Porvoo
Jürg Pfeiffer veranschaulichte seine Erzählungen an diesem Vormittag mit einem Unterrichtsbesuch bei den Automatikern*innen EFZ und den Laboranten*innen EFZ Fachrichtung Chemie und Textil. Das Programm bot den Lehrpersonen der Schule Careeria in Porvoo einen umfassenden Einblick ins GBS St.Gallen, insbesondere in die technischen Berufe. Ziel ist es, dass künftig auch die technischen Berufe noch stärker vom Austausch zwischen St.Gallen und der Stadt im Süden Finnlands profitieren können.
Erst kürzlich nahmen zwei Coiffeusen am GBS-Mobility-Programm teil und gingen in Porvoo, 50 Kilometer nordöstlich von Helsinki, zur Schule und zur Arbeit. Die Bilder von Lorena Schlegel und Foteini Maria Mylona:
Die Komfortzone verlassen
Der internationale Austausch wird am GBS St.Gallen seit Jahren gefördert. Jüngste Beispiele dafür sind der Besuch der polnischen Botschafterin Iwona Kozlowska im Riethüsli und die Reise von Rektor Daniel Kehl und Fachlehrer Sandro Kappeler an den ROBOCUP in Norwegen. Ein Hauptaugenmerk liegt auch in den kommenden Jahren auf dem GBS-Moblity-Programm, das durch Movetia unterstützt wird. «Ziel ist, dass ein Prozent unserer Lernenden pro Jahr einen Austausch machen», sagt Rektor Daniel Kehl. Durch das Abenteuer, sich in ein unbekanntes Umfeld zu begeben, verlassen Lernende ihre Komfortzone und entdecken neue Horizonte.
Genau das dürfen jetzt Tia Sarén und Tatu Turunen erleben. Die beiden Schüler sind aus Porvoo via Riga angereist und besuchen bis zu den Frühlingsferien die Schule für Gestaltung St.Gallen. Tia wird mit der Fachklasse Grafik sogleich am Wettbewerb für das neue Olma-Plakat teilnehmen. Anschliessend wird sie die Module Typographie und digitales Zeichnen besuchen. Tatu wird sich den Interactive Media Designer*innen EFZ anschliessen. Er sei offen für dieses Abenteuer und freue sich darauf, die Schweiz zu entdecken.
Englisch als gemeinsame Sprache
Die Partnerschaft zwischen der Schule Careeria und dem GBS St.Gallen besteht auf Stufe der grafischen Grundbildungsberufen schon seit einigen Jahren. Sami Ulmanen erinnert sich daran, dass 2014 die ersten Projekte realisiert wurden. «Wir arbeiten auf einem hohen Niveau zusammen. Ich bin mehr als zufrieden. Und der Austausch mit den Schülern*innen funktioniert dank den sehr guten Englischkenntnissen hervorragend», zieht Sami Ulmanen ein positives Fazit.
Von den Sprachfertigkeiten zeigte sich auch Pekka Pulkkinen beeindruckt. Der stellvertretende Direktor für den Bereich Technologie und Digitalisierung an der Careeria liess sich und seinen finnischen Lehrpersonen von den Lernenden selbst erklären, wie viele Schnupperlehren sie besuchten und wie viel sie in welchem Lehrjahr verdienen – auf Englisch. «Ihre Offenheit und ihr Selbstvertrauen beeindrucken mich», sagt Pekka Pulkkinen.
Die Praxis im Vordergrund
Gestaunt haben die finnischen Gäste auch darüber, wie viel Verantwortung die Lernenden im Lehrbetrieb und im Berufsschulunterricht bereits übernehmen dürfen. In der Lernlandschaft im vierten Stock des GBS-Schulhauses im Riethüsli wird der Fokus beispielsweise weg vom Frontalunterricht auf mehr selbstorganisiertes Arbeiten gerichtet. Während sich einige Automatiker*innen EFZ individuell in Lerngruppen auf die anstehende Mathematik-Prüfung vorbereiteten, sassen die anderen in der Arena und sogen den theoretischen Input der Lehrperson auf.
Wie die ideale Mischung aus Theorie und Praxis aussehen kann, demonstrierte Lehrer Fabian Reifler in der «Internet of Things»-Werkstatt. Hier können die Schüler*innen über ihren eigenen Laptop auf vernetzte Puppenhäuser (Smart Home) zugreifen und beispielsweise das Licht regulieren oder die Raumtemperatur reduzieren. Jürg Pfeiffer scherzte: «Diese Werkstatt ist das Herz der Abteilung Technische Berufe. Jetzt sorgen wir für eine finnische Sauna.»
Fabian Reifler zeigte, wie die Boilerheizung über die Software Node-RED gesteuert wird und erklärte, wie er den Schüler*innen gleichzeitig den Bezug zu den Cyber-Sicherheitsvorkehrungen vermittelt. Lehrerin Henna Perkinen lobte: «Dieses Smart Home ist praktisch, weil man realisiert, wie und wohin die Daten fliessen. Die schwierig zu verstehende Theorie wird anschaulich visualisiert.» Währen des anschliessenden Mittagessens im Mampf unterhielt sie sich mit Fabian Reifler über «Internet of Things»-Projekte. Eventuell steht ein solches Puppenhaus schon bald in den Careeria-Räumlichkeiten. Dieses Beispiel allein zeigt, wie wertvoll der internationale Austausch ist.