Kompetenzen für die Energiewende: Ein Blick hinter die Kulissen von «vETskillinG»
Das GBS St.Gallen hat sich mit vier Schulen aus Europa zusammengeschlossen und entwickelt ein gemeinsames Lernprogramm, um die Kompetenzen der Lernenden der technischen Berufe zu stärken. Dieses Erasmus+-Programm «vETskillinG» ist eine Antwort auf die wachsende Nachfrage nach technischen Fachkräften, die nicht nur technisches Wissen besitzen, sondern auch effektiv kommunizieren und innerhalb multidisziplinärer Teams zusammenarbeiten können. Jürg Pfeiffer ist am GBS St.Gallen für dieses Projekt verantwortlich. Er schildert im Interview, was der internationale Austausch verspricht und wie er sich auf den Unterricht auswirkt.
Jürg Pfeiffer, weshalb setzt das GBS St.Gallen auf internationale Kooperationen?
Jürg Pfeiffer, Prorektor technische Berufe und Schule für Gestaltung Grundbildung sowie Projektleiter «vETskillinG»: Unser Rektor Daniel Kehl lebt den Gedanken «Innovation durch Internationalisierung» vor. Wir wollen dazu beitragen, das Ansehen und die Wahrnehmung der Berufsbildung zu steigern. Wir wachsen gemeinsam, wenn wir unser Wissen und unsere Erfahrungen austauschen. Growing by sharing. So können die Lernenden an einem dreiwöchigen Austauschprogramm teilnehmen, wenn sie dies wollen; mit unseren knapp 20 Partnerschulen können wir das in verschiedenen Berufsrichtungen ermöglichen. Die Lehrpersonen profitieren von einem mehrtägigen Job-Shadowing-Angebot an einer der Partnerschulen. So fördern wir den Blick über das eigene Gärtchen hinaus und nutzen unser internationales Netzwerk, um Herausforderungen gemeinsam zu meistern.
Können Sie das anhand des Projekts «vETskillinG» weiter ausführen?
In diesem Erasmus+-Projekt arbeitet das GBS St.Gallen mit vier europäischen Partnerschulen zusammen, um ein digitales Lernprogramm für den technischen Sektor zu entwickeln: Roskilde Tekniske Skole (DK), CIFP Usurbil (E), Hans-Sachs-Berufskolleg (D), Da Vinci College (NL). Die technischen Berufe stehen vor komplexen Herausforderungen wie der Energiewende. Das Projekt nimmt sich der Hürden bei der Integration erneuerbarer Energien in das bestehende Stromnetz an, was Innovationen in Technologie und Wirtschaft erfordert. Die jungen Fachleute werden bewusst gestärkt in den Bereichen Kommunikation, Teamarbeit, Führung und Problemlösung. Diese Fähigkeiten sind entscheidend für den Erfolg technischer Projekte. Die Schreibweise «vETskillinG» ist deshalb bewusst so gewählt: «ET» steht für Energy Transition und das grosse «G» für Generic Skills.
Was ist mit Generic Skills gemeint?
Diesen Begriff habe ich durch unsere spanischen Kolleginnen und Kollegen kennengelernt. Es geht um mehr als die uns bekannten Soft Skills wie Team- und Kommunikationsfähigkeit. Die Generic Skills umfassen auch die Widerstandsfähigkeit, die Selbstfürsorge oder Selbstmanagement.
Warum liegt der Fokus auch auf solchen Skills?
Ein Bewusstsein für die technischen Entwicklungen allein reicht nicht. Um in dieser schnelllebigen Zeit den globalen Herausforderungen zu begegnen, müssen wir miteinander effektiv und angemessen kommunizieren und interagieren. Wir müssen solidarisch und verständnisvoll miteinander umgehen. Die sozio-kommunikative Fähigkeiten der Lernenden werden bewusst verbessert.
Wann werden erste Ergebnisse des Projekts sichtbar sein?
Ende März 2024 habe ich mich an der technischen Schule CIFP Usurbil mit den Projektverantwortlichen der anderen Partnerschulen getroffen, um Lehrmaterialien zu entwickeln. Eine erste praktische Woche mit den Lehrpersonen und den Lernenden fand vom 16. bis 20. September am Da Vinci College in Dordrecht statt. Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit rückten die Ansätze «Moving Forest» und «Cooling City» in den Fokus. Wir haben Daten gemessen und geprüft, welche Auswirkungen es hat, wenn Bäume und Grünflächen je nach Bedarf in der Stadt bewegt werden. Die Lernenden verstehen, welche Technologie es benötigt, um die Hitze zu verringern. Sie sind rund um die Klimaschutzthematik zuvorderst dabei.
Das GBS St.Gallen ist dann vom 4. bis 11. November 2024 an der Reihe. Wie sieht das Programm dieser Woche aus?
Es geht wieder darum, die fachlichen und die überfachlichen Kompetenzen – Stichwort Generic Skills – der beteiligten Lernenden und Lehrpersonen zu stärken. Während dieser Projektwoche liegt der Schwerpunkt auf der Datensammlung mit verschiedenen Sensoren und dem Kontrollieren von Aktoren. Der Datenaustausch geschieht mit einem MQTT-Protokoll, die Integration der IoT-Daten danach mit Hilfe einer Open-Source-Plattform. Als weiteren Schwerpunkt machen sich die Lernenden vertraut mit LoRaWAN als Access-Technologie.
Haben Sie bereits Erfahrungen mit solchen Lerninhalten und dieser Art des internationalen Austausches gesammelt?
Erst kürzlich im Rahmen unseres Projektes «WinterSpring». Dieses wird wie «vETskillinG» von Movetia, der nationalen Agentur für Austausch und Mobilität, finanziell unterstützt. Je zwölf Lernende des GBS St.Gallen und des Graphic Lyceums Rotterdam haben sich eine Woche lang in Savognin mit verschiedenen Methoden der Datenerfassung und Datenvisualisierung befasst. Die Schlittelpiste in Savognin zum Beispiel ist jetzt auf einer Karte mit Messpunkten visualisiert. Die zusammengewürfelten Lernendengruppen aus Elektronikerinnen, Grafikern, Interactive Media Designerinnen, Polygrafen und Schülerinnen und Schülern des Graphic Lyceums Rotterdam harmonierten bestens.
Wie bereiten Sie die Lernenden auf solche internationalen Projekte vor?
Sprachlich bereiten wir die Lernenden im Rahmen des Berufskunde-Unterrichts vor, in dem wir in diversen Fächern Content and Language Integrated Learning (CLIL) anbieten. Interkulturell gibt es jeweils pro Land, in das wir reisen, einen Kulturabend, den Karin Haltner bestreitet; sie ist für das International Administration Office am GBS St.Gallen verantwortlich. Aufgabenbezogen finden Vorbereitungen im Fachkundeunterricht und in Bereichs-übergreifenden Projekten sowie in Förderkursen statt. Den Umgang mit herausfordernden Situationen erleben die Lernenden vielfach in ihrem Berufsalltag. Die Soft Skills werden im Allgemeinbildenden Unterricht (ABU) mit denselben Themen durchgenommen, welche auch die Partnerschulen behandeln.
Die Partnerschulen sind ein gutes Stichwort. Was erwartet das GBS St.Gallen von diesen Partnerschaften?
Dass wir uns gegenseitig inspirieren und die bildungspolitischen Ziele erreichen: Wir werden die neuen Herausforderungen der digitalisierten Arbeitswelt und Gesellschaft vorausschauend aufgreifen und den internationalen Austausch fördern.
«vETskillinG» und die 4K-Kompetenzen
Am GBS St.Gallen werden im Unterricht und während Spezialwochen die vier Schlüsselkompetenzen der Fachkräfte von morgen gefördert: Kreativität, kritisches Denken, Kommunikation, Kollaboration. Auch während des «vETskillinG»-Projekts liegt der Fokus neben den technologischen Aspekten auf den 4K-Kompetenzen:
- Kritisches Denken: Der weltweite Austausch von mit Sensoren gesammelten Daten zieht Diskussionen und eine kritische Auseinandersetzung in Bezug auf Datenschutz und -sicherheit nach sich.
- Kommunikation: Die Teilnahme an diesem internationalen Projekt fördert den Gebrauch der englischen Sprache, gerade auch mit Blick auf Content and Language Integrated Learning.
- Kollaboration: Die Zusammenarbeit erfolgt in interdisziplinären Teams, damit technische Lösungen für umweltrelevante Probleme gefunden werden.
- Kreativität: Die Projekt-Teilnehmenden werden Messstationen im Freien einsetzen. Die Darstellung der gesammelten Daten auf einem Dashboard bietet genügend Raum, um eigene Ideen zu entwickeln und gemeinsam umzusetzen.