Wie riechen eigentlich Angst und Schuld?

Schuldgefühle und Ängstlichkeit sind intensive und negativ behaftete Emotionen. Lea Schnitzer und Carmen Sapina haben es trotzdem geschafft, den Blick nach vorne zu richten. Für die Semesterarbeit ihrer berufsbegleitenden Weiterbildung Visuelle Gestaltung an der Schule für Gestaltung St.Gallen entwickelten beide je eine fiktive Parfümlinie mit klarer Botschaft.

Die Last der Schuld. Zu einer Belastung wurde das zugeteilte Thema für Lea Schnitzer im Verlaufe ihrer Projektarbeit nie. «Als ich diese Emotion gezogen habe, entschloss ich mich bei ihr zu bleiben. Ich nahm mir vor, den Fokus darauf zu legen, die Schuld loszulassen», erklärt Lea Schnitzer.
Deshalb besteht ihre Kommunikationskampagne auch aus einem Podcast. Auf dem Werbeplakat sind Porträts von Personen zu sehen, die im Podcast darüber erzählen, wie sie im Alltag gegen die Schuldgefühle ankämpfen. Lea Schnitzer sagt: «Der Podcast soll die Schwere der Schuld durchbrechen und dazu ermutigen, einsichtig zu sein und die Vergangenheit hinter sich zu lassen.»
Es riecht nach Asche
Die Projektarbeit im ersten Semester der Visuellen Gestaltung HF sieht vor, eine Welt für einen Duft zu gestalten. Der Duft soll menschliche Emotionen wie Melancholie oder eben Ängstlichkeit und Schuld kommunizieren.
Neben dem Podcast steht deshalb besonders die Asche im Zentrum. Asche macht saubere Hände schmutzig und dadurch die Schuld sichtbar. «Gesellschaftlich sollte man Schuld anerkennen, sie eingestehen und dann verarbeiten können», erklärt Lea Schnitzer. Sie verdeutlicht dies durch Asche, die bei ihrem erfundenen Raumduft Oppression (Unterdrückung) entsteht.

Ein Konzert als Inspiration
Woher holen sich die Studierenden ihre Inspiration, um solche Lösungen zu gestalten? Lea Schnitzer ist dankbar, sich mit ihrer Klasse austauschen zu können. «Wir sind bereits stark zusammengewachsen und unterstützen uns», lobt sie. Auch Carmen Sapina erlebt die Diskussionen als inspirierend, kam jedoch an einem Konzert von Gracie Abrams auf die zündende Idee. Ihr Konzept ist auf der Sozialphobie aufgebaut. «Konkret auf der Angst, sich selbst zu sein. Die heutige Gesellschaft wird dazu gedrängt, ähnlich zu denken und zu handeln», sagt sie.
Das Konzert musste insgesamt sechs Mal unterbrochen werden, weil Mädchen in der tobenden Menschenmenge ohnmächtig wurden. Carmen Sapina fragte sich: «Was genau macht diese Gracie Abrams mit diesen jungen Leuten?» Die Antwort darauf lieferte Carmen Sapina die Steilvorlage für ihren Duft. Am Konzert durften nämlich alle sich selbst sein und fühlten sich verbunden. Keine Spur von Erwartungsdruck oder Ängsten.
Die Visuelle Gestalterin wirbt für ihr fiktives Parfüm: «Ein Gefühl, das einem die Angst nimmt und sich über sich hinauswachsen lässt. Das ist TIMEA, ein Unikat.»

Positive Wirkung auf Psyche und Seele
Produzieren würde Carmen Sapina exakt 111 Parfümfläschchen lassen. Das hat zwei Gründe: Die Zahlenkombination wird mit Neuanfang und Erneuerung in Verbindung gebracht. Zudem wird die Aussenverpackung von Hand hergestellt. Die Formen und Linien werden durch ein Verfahren gewonnen, das aus Wasser und Tinte besteht. Wenn das Verpackungspapier in die Farbmischung getauscht wird, entstehen individuelle und einzigartige Bewegungen. Für dieses Ergebnis benötigt es saugfähiges Papier. Carmen Sapina verwendet Papier, das aus Baumwolle gewonnen wird.
Beim Fläschchen hat sie sich für ein Roll-On-Gefäss entschieden, das weich und filigran wirkt. Das Produkt ist aus Glas, was sowohl Transparenz als auch Helligkeit suggeriert. Weiter befinden sich kleine Turmalin-Edelsteine darin. Carmen Sapina erklärt: «Sie wirken beruhigend und ausgleichend auf die Psyche und die Seele. Die Steinchen gelten auch als Schutzsteine, um Ängste fernzuhalten.» Denn für negative Energie hat es in den Semesterarbeiten von Carmen Sapina und Lea Schnitzer keinen Platz.
