Wie das Sandwich Begleitetes Selbstorganisiertes Lernen schmeckt
Das GBS St.Gallen legt den Fokus künftig auf die Unterrichtsform Begleitetes Selbstorganisiertes Lernen. Das heisst, die Schüler*innen organisieren, planen, reflektieren und bewerten ihren Lernprozess schrittweise selber. Sie lösen Probleme eigenständig und arbeiten intensiver zusammen. Die Lehrpersonen werden dabei zu wertvollen Begleitern*innen. Was heisst das?
Der Magen knurrt. Während die leckeren Mampf-Sandwiches auf der ersten Folie der Präsentation den Hunger anregen, stillt das Lunchpaket vom hauseigenen Restaurant den Appetit rechtzeitig. Über 30 Lehrpersonen der GBS-Abteilung Technische Berufe trafen sich über Mittag in der Lernlandschaft H.414. Es wurde über die Unterrichtsform Begleitetes Selbstorganisiertes Lernen informiert und darüber diskutiert.
Abteilungsleiter Jürg Pfeiffer nahm das Essensbild gleich auf: «Ein Sandwich können wir individuell füllen mit Saucen, Zwiebeln, Käse oder Fleisch. Gleich verhält es sich mit unserer neuen Unterrichtsmethode. Die Lehrpersonen entscheiden, wie die Lektionen gefüllt werden.» Die beiden Brotschichten stellen dabei die Fixpunkte dar. Namentlich die Bildungsverordnung, die für jeden Beruf klar festhält, welche Kompetenzen vermittelt werden müssen. Die obere Brotschicht, der Deckel des Sandwiches, steht für den erfolgreichen Lehrabschluss. «Wir wissen also, wohin wir mit welcher Bildungsverordnung nach wie vor gehen. Nur die Füllung ist durch das Begleitete Selbstorganisierte Lernen neu.»
«Raus aus der Problemtrance»
Marcel Weber hat ebenfalls in der Lernlandschaft Platz genommen. Er ist seit August Leiter PICTS+ am GBS St.Gallen. PICTS steht für den pädagogischen ICT-Support. Hinter dem Plus verbergen sich die Lernform Blended Learning und Aufgabenbereiche der Schulleitung. «Als Teil der erweiterten Schulleitung liegt mein Fokus auf neue Lehr- und Lernformen im digitalen Kontext», erklärt Weber. Er bindet seine Lehrerkollegen*innen von Beginn weg ein und hat die Methode des begleiteten, selbstorganisierten Lernens ein erstes Mal am Gesamtkonvent präsentiert.
Damals gab er ein Zitat des österreichischen Physikers Heinz von Förster mit auf den Weg: «Raus der Problemtrance – Erfolgsfaktor Lösungsorientierung als Grundhaltung.» Monate später ist Weber erfreut, wie der Fokus weg von allfälligen Problemen gerichtet wird. Er lobt: «Dieser Anlass mit den Lehrpersonen der Technischen Berufe ist sensationell. Hier wurde begonnen, im Plenum über die neue Unterrichtsmethode zu sprechen. Es wird nichts von oben herab vorgegeben.» Das wäre auch der total falsche Ansatz, denn es gibt sie nicht, die eine Wahrheit. Begleitetes Selbstorganisiertes Lernen ist in verschiedensten Variationen möglich.
Beispiele für Begleitetes Selbstorganisiertes Lernen
Bestes Beispiel sind die Vertiefungsarbeiten, bei denen die Berufsschüler*innen ihren Weg von A bis Z selbst planen, sich selber organisieren. Aber auch bereichsübergreifende Projekte, wie sie kürzlich die Elektroniker*innen in der Aula präsentierten, dienen als Orientierungspunkt. Das Endprodukt und der Weg dorthin waren nicht vorgegeben. Die Lehrpersonen begleiteten ihre Klassen zur individuellen Lösung. «Vieles in unseren Klassenzimmern läuft schon gut. Wir gehen weg vom lehrerzentrierten Unterricht und gestalten ihn mehr lernendenzentriert und lehrerorganisiert», fasst Dario Bühlmann die Diskussion zusammen.
Dario Bühlmann zeigte auf, dass die angestrebte Unterrichtsmethode beispielsweise von Eltern in der Erziehung und von Berufsbildner*innen im Lehrbetrieb schon angewendet wird. Begleitetes Selbstorganisiertes Lernen spiegelt die Kompetenzen in unserer Gesellschaft und der Arbeitswelt. Und im Alltag treffen wir immer wieder Personen an, die das Leben selbstständiger meistern als andere – das ist in der Schule nicht anders. Lehrer Oliver Lux sagt deshalb: «Für mich ist klar: Es hängt von der Klasse ab, wie sehr sie sich selbst organisiert und wie stark ich führen muss.» Jürg Pfeiffer ist sich sicher, dass die neue Unterrichtsform den Lehrpersonen mehr Zeit verschafft, um die langsameren Schüler*innen zu coachen.
Den eigenen Weg gehen
Marcel Weber hat bislang in verschiedene Abteilungen des GBS St.Gallen Einblicke genommen. Die Herausforderung Begleitetes Selbstorganisiertes Lernen nehmen alle mit einer positiven Grundeinstellung an (über die Abteilung Brückenangebote haben wir berichtet). Knifflig sei, dass einige Begriffe unterschiedlich aufgefasst werden, beobachtet Weber. «Es gibt keine einheitliche Lösung. Jeder Fachbereich darf und soll seinen eigenen Weg beschreiten», so Weber.
In einem nächsten Schritt werden die Inputs aus den Abteilungen in der Schulleitung verarbeitet. Die Lehrpersonen der Technischen Berufe wollen zum Beispiel wissen, ob sich Begleitetes Selbstorganisiertes Lernen über die zur Verfügung gestellte Zeit definieren lässt. Es gilt aber auch zu klären, welche Schulräume zur Verfügung stehen und inwiefern die Lehrpersonen auf die neue Methode hin geschult werden sollen. Das Sandwich Begleitetes Selbstorganisiertes Lernen wird munter weiter zubereitet.