Tÿpo St.Gallen: Was tun, wenn der Plagiat-Vorwurf im Raum steht?
Die Ausgangslage ist eine deutliche Ansage: Die Referenten/-innen an der Tÿpo St.Gallen sollen darüber sprechen, worüber niemand so gerne spricht – «what nobody talks about». Gleich am ersten Tag der siebten Tÿpo-Ausgabe wurde über Peinliches gesprochen und Erfolgsgeheimnisse wurden verraten. Einige willkürlich gewählte Müsterchen werden in diesem Blog zum Besten gegeben.
Ohne starke Partnerschaften wäre ein Anlass wie die Tÿpo St.Gallen nicht möglich. Die Schule für Gestaltung St.Gallen und das OK-Team der Tÿpo St.Gallen bedanken sich bei allen involvierten Personen und Firmen.
Die im Vorfeld der Tÿpo St.Gallen erschienenen «geraumt»-Podcasts gibt es hier.
Was kann ich tun, wenn Plagiatsvorwürfe aufkommen? Matthias Frey und Tim Siegert von der Kommunikationsagentur Q berichteten an der Tÿpo St.Gallen über einen unglaublichen Zufall. Im Jahr 2014 entwarfen sie für das Hessische Staatsballett ein neues Logo, das jenem vom Dutch National Ballet zum Verwechseln ähnlich sah. «Unser Vorschlag wurde dem Kunden am 8. Februar 2024 präsentiert und das Dutch National Ballet veröffentlichte sein neues Logo am 17. Februar 2014», erklärte Tim Siegert.
Dieser Vorfall war nur einer von mehreren «Fuck up», den die beiden zum Besten gaben. Die Lacher der Tÿpo-Besucher/-innen hatten sie auf ihrer Seite. Matthias Frey fasste zusammen: «Macht eure Researchs gründlich, legt eure Arbeit zur Kontrolle einer anderen Person vor und wenn die Krise erst mal da ist, haltet die Emotionen flach.» Die beiden plädierten für eine offene Kommunikation mit der Kundschaft. Diese hat beim Hessischen Staatsballett das Verständnis gefördert und zu einer langjährigen Partnerschaft geführt. Mittlerweile führte Q bereits ein neues Rebranding für die Ballettkompanie aus.
Ein inspirierender Artist-in-residence-Aufenthalt
Auch der französische Grafikdesigner, Herausgeber und Verleger Alexandre Dimos ging auf die Kundschaft ein. Er deutete an, dass sich eine schlechte und gestresste Beziehung zu den Auftraggebern auf die Gesundheit der Designer/-innen auswirken kann. «Grafikdesigner/-in zu sein, bedeutet heute, mehrere Jobs gleichzeitig zu machen», sagte er. Auf seinem Artist-in-residence-Aufenthalt in Kyoto im Jahr 2012 traf er rund vierzig japanische Grafikdesigner/-innen. Alexandre Dimos schildert: «Mir fiel auf, dass selbst in einem so weit entfernten Land, jeder und jede irgendwann den Wunsch nach Entschleunigung hat.»
Alexandre Dimos gab den Zuhörer/-innen mit, das Arbeitstempo zu verlangsamen, die Projekte sorgfältiger auszuwählen und sich den Rhythmus nicht mehr durch die Kundschaft alleine diktieren zu lassen. Der Franzose fügte an: «Aber am Schluss hängen unsere Entscheidungen auch mit dem Honorar zusammen und Projekte zu entwickeln, bedeutet, grossartige Menschen zu treffen.»
Sich Zeit nehmen für das, was man gerne macht
Als Alexandre Dimos 2008 seinen Verlag B42 gründete, schickte er sich an, das Werk «Das Detail in der Typografie» des St.Galler Typodesigners Jost Hochuli zu übersetzen. Dieser lud ihn für zwei Tage nach St.Gallen ein, um die Korrekturen zu besprechen. Alexandre Dimos erinnert sich: «Als ich Jost Hochuli in seiner Stadt und an seinem Arbeitsplatz traf, wurde mir klar, dass er früher ein Projekt anders angehen durfte. Er nahm sich alle Zeit, daran zu arbeiten, was er gerne macht und machen würde.»
Solche Denkanstösse gab es am Freitagnachmittag in der Aula des GBS St.Gallen praktisch im Minutentakt. Die Besucher/-innen, darunter zahlreiche Studierende der HF-Lehrgänge der Schule für Gestaltung St.Gallen, kamen auch in den Genuss von Best-Practice-Beispielen. Zum Beispiel aus Lausanne von Priscilla Balmer und Yvo Hählen (Grafikdesignstudio Balmer Hählen) sowie aus Berlin von Schriftgestalterin Ulrike Rausch (LiebeFonts).
Der erste Eindruck zählt
Weitere Impulse folgten während vier viertelstündigen Kurzvorträgen. Sabrina Öttl ging auf die Frage ein, was ein Buch leisten muss, um die Lesefreude und das Lernen zu fördern. «Wie kann ich die Typografie nutzen, um die Komplexität an Informationen in den Büchern zu reduzieren?», fragt die Expertin für Typografie und Buchgestaltung.
Sabrina Öttl bezog sich bei ihren Aussagen auf die eigene Masterarbeit. An der Zürcher Hochschule für Künste hat sie sich damit beschäftigt, wie Typografie die Wahrnehmung und das Verständnis von Texten beeinflusst. Sie hat Lese-, Lern- und Gestaltungsmuster im Zusammenhang mit Büchern gesammelt, beobachtet und reflektiert. «Ich habe Personen gefragt, wie sie ein Buch lesen. Wie nehmen sie ein Buch in die Hand?», so die Autorin des Buches «Der erste Eindruck zählt».
Die Erkenntnisse aus ihrer Umfrage lässt sie ins nächste Buchprojekt einfliessen. Somit nutzt sie wie App-Entwickler/-innen die Vorteile von Usability Tests für sich.
Die Erfolgsgeschichte geht weiter
Weitere Vorträge kamen vom Büro 146. Madeleine Stahel und Maike Hamacher (Co-Lehrgangsleiterin Visuelle Gestaltung HF) legten dar, wie lange es nach der Entwurfspräsentation dauern kann, bis ein Buch erscheint. Zuvor sprachen mit den Grafikern Fabio Menet und Nayla Baumgartner von Data-Orbit zwei ehemalige Berufsschüler/-innen der Schule für Gestaltung St.Gallen über die Herausforderungen bei Pitches.
Sowieso waren Aktuelle und Ehemalige gut in den Anlass involviert. Am DJ-Pult sorgte mit David Zwicker ein ehemaliger Schüler der Fachklasse Grafik für den passenden Sound während der Pause.
Die heutigen Schüler/-innen der Fachklasse Grafik halfen beim Aufbau, sorgten für einen reibungslosen Einlass der Gäste und blendeten von der Regie aus die richtigen Folien für die Referenten/-innen ein. Auf der Bühne moderierte Anne Treichel, Lehrgangsleiterin Design Essentials und Creative Design, gemeinsam mit Clemens Schedler. Zudem sitzt Anne Treichel gemeinsam mit Roland Stieger, Co-Lehrgangsleiter Visuelle Gestaltung HF, im OK-Team der Tÿpo St.Gallen.
Roland Stieger durfte gleich zu Beginn die beiden Studentinnen Lia Köppel und Sabrina Hänggi auf die Bühne bitten. Sie haben das Sujet der siebten Tÿpo-Ausgabe gestaltet. Dieses Engagement lobte GBS-Rektor Daniel Kehl ausdrücklich: «What nobody talks about… das ist eine Ansage. Worüber wir ganz laut sprechen sollten, sind die wunderbaren Menschen hinter der Tÿpo. Sie haben unzählige Stunden investiert, damit die Erfolgsgeschichte dieses Anlasses weitergeschrieben werden kann.» Die Vorfreude auf die Tÿpo-Workshops am Samstag steigt.